Rödl & Partner

„Make the world Mittelstandspartner“ ist die Devise von Rödl & Partner. Die Kanzlei expandierte von Nürnberg aus in alle Welt – immer konsequent mit ihrer Hauptklientel: deutschsprachigen Familienunternehmen.





/ Im Besprechungszimmer von Christian Rödl steht eine kleinkindgroße Plastik von Ludwig Erhard, dessen linke Hand lässig in der Hosentasche steckt, in der rechten hält er die obligatorische Zigarre. Der Bundeswirtschaftsminister und Kanzler der Fünfziger- und Sechzigerjahre glänzt silbern wie ein frisch geprägtes 1-Mark-Stück. Fragt man den Hausherrn, welches Statement er mit dieser Figur abgeben will, folgt ein längeres Lamento über die Erosion der sozialen Marktwirtschaft, wie Erhard sie vertrat, über dogmatisch motivierte Entscheidungen heutiger Politiker, über erdrückende Bürokratie und die Notwendigkeit, den Marktkräften wieder mehr Raum und Freiheit zu lassen.

Christian Rödl ist Rechtsanwalt und Steuerberater (zwei Berufe übrigens, die gut leben von der Bürokratie), aber sein Zurück-in-die-Zukunft-Plädoyer klingt eher wie das Statement eines Verbandsfunktionärs des deutschen Mittelstands. Was Rödl in gewisser Hinsicht auch ist, nicht nur weil er selbst ein großes mittelständisches Unternehmen führt, sondern auch, weil dieses Unternehmen Mittelständler im deutschsprachigen Raum zu seiner Kernklientel erhoben hat. Meist sind es familiengeführte Firmen, die außerhalb ihrer Branche wenig bekannt sind, aber in ihrer Nische führend und global präsent. Wohin immer in der Welt sie gehen mit ihren Vertriebs- und Servicegesellschaften, mit ihren Produktionsstätten, Einkaufsbüros und Repräsentanzen, geht auch Rödl & Partner, die Nürnberger Kanzlei. Wenn sie nicht schon da ist.

Wobei das Wort Kanzlei falsche Vorstellungen weckt. Das Nürnberger Stammhaus – sie nennen es Campus – besteht aus drei großen, durch gläserne Brückengänge verbundenen Bürogebäuden mit den Namen „Europa“, „Asien“ und „Amerika“. Hier arbeiten rund 700 der deutschlandweit 2.300 Beschäftigten, hinzu kommen knapp 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 110 Niederlassungen in 49 Ländern von Myanmar bis Mexiko, Kenia bis Kroatien, Slowenien bis Saudi-Arabien. Die Zahlen wirken umso größer, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen erst 1977 vom inzwischen verstorbenen Vater des heutigen Geschäftsführenden Partners als Ein-Mann-Kanzlei gegründet wurde.

Sein Vater habe nie gedacht, erzählt Christian Rödl, dass das Unternehmen einmal so groß werden könnte. Aber als die Mauer fiel, agierte er extrem schnell. Sachsen war noch vor der Wiedervereinigung der erste Schritt ins „Ausland“. Dann ging es Schlag auf Schlag: 1989 Prag, danach Warschau und Budapest. 1992 der Schritt nach Russland (woraus man sich allerdings unter dem Eindruck des Ukrainekriegs nun wieder zurückgezogen hat), 1994 China, 1999 der Sprung über den Atlantik in die USA, dann nach Südamerika (ab 2005) und Afrika (ab 2008). Wie stark sich die Berater dabei auf ihre Kernklientel fixierten, zeigt das Beispiel USA: Die ersten von inzwischen neun US-Büros eröffnete Rödl & Partner nicht etwa in den Anwalt-Hotspots New York oder Washington, sondern in Georgia, Alabama und North Carolina – dort, wohin um die Jahrtausendwende viele deutsche Auto- und Maschinenbauer und ihre Zulieferer gegangen waren.

Inland:
2.300 Beschäftigte. Davon 700 in Nürnberg.
+ Ausland:
3.500 Beschäftigte. In 49 Ländern

Expansion mit Tradition

Auf diese Weise ist Rödl & Partner weitgehend durch organisches Wachstum mit nur wenigen Zukäufen im Schnitt Jahr für Jahr um gut 120 Mitarbeiter gewachsen, der Umsatz nähert sich inzwischen der Marke von 600 Millionen Euro und ist mehr als doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Grenzen des Wachstums sieht Christian Rödl kaum. Natürlich, es gebe Länder mit gesättigten Märkten und starker Konkurrenz, aber eben auch noch viel Potenzial auf der Welt, in Asien, Afrika oder den USA, wohin Marktführer aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und anderen europäischen Ländern expandieren oder ihre Präsenz ausbauen.

Der Grund des Erfolgs von Rödl & Partner dürfte kaum das Alles-aus-einer-Hand-Angebot mit Rechts-, Steuer-, IT-Beratung, Wirtschaftsprüfung, M&A und Buchhaltungsservice sein – derlei Pakete bieten andere auch. Christian Rödl ist überzeugt davon, dass es vielmehr die Struktur der Kanzlei ist, in der sich die mittelständische Kundschaft widergespiegelt sieht und deshalb angesprochen fühlt: „Wir sind weder ein Best-Friends-Netzwerk kooperierender Berater noch eine Ansammlung von Unternehmen wie die Big Four, wo jede Landesgesellschaft letztlich für sich agiert.“ Vielmehr sind die Auslandsbüros von Rödl & Partner Tochtergesellschaften, „wir sind ein Unternehmen“, betont Rödl.

Was das für einen Unterschied machen kann, schildert ein deutscher Rödl-Mandant so: Nach wenigen Jahren als Kunde einer der Big-Four-Gesellschaften im europäischen Ausland sei er mit dem Hinweis hinauskomplimentiert worden, seine Niederlassung sei einfach zu klein, man habe vor Ort wichtigere Kunden zu betreuen. Christian Rödl, ganz energischer Chef, kommentiert: „Auch wir haben in manchen Ländern einige lokale Mandanten, da handeln wir durchaus opportunistisch. Ich würde aber sehr empfindlich reagieren, wenn eines unserer Büros aus diesem Grund einen Mandanten aus unserer Kernkundschaft rauskegeln oder auch nur mit geringerer Priorität behandeln würde.“

In den Ohren der Mittelständler dürfte das so einladend klingen wie der Unternehmenswert „deutsch“, den sich Rödl & Partner gegeben hat. Christian Rödl ist sich bewusst, wie leicht der Begriff missgedeutet werden kann, entsprechend lange und kontrovers habe man darüber diskutiert. Und sei dann doch beim „deutschen“ Wert geblieben. Um auch den leisesten Zweifel auszuräumen, sagt Rödl, er wolle und könne niemandem an der Wahlurne über die Schulter schauen, „aber wenn Kolleginnen oder Kollegen sich offen für die AfD einsetzen würden, hätte ich damit ein großes Problem und würde mich mit ihnen auseinandersetzen“.

Nicht nur, weil Anti-Globalisierungspläne und die Beratung global agierender Unternehmen nicht zusammengehen. Sondern vor allem, weil es ein starker Widerspruch zu den Werten von Rödl & Partner sei, zu denen auch der Begriff „international“ zählt. „Wir sind ein weltoffenes, in jeder Hinsicht tolerantes Unternehmen“, sagt Christian Rödl. „Wenn wir ‚deutsch‘ als Wert aufrufen, hat das rein gar nichts mit Herkunft, Pass, Hautfarbe oder sonst etwas zu tun, sondern ist allein ein Versprechen für Beratungsqualität ‚Made in Germany‘. Und die Kolleginnen und Kollegen in Brasilien, China, den USA oder sonst wo verstehen es auch genau so, wie es gemeint ist.“


„Wenn wir ‚deutsch‘ als Wert aufrufen, hat das rein gar nichts mit Herkunft, Pass, Hautfarbe oder sonst etwas zu tun, sondern ist allein ein Versprechen für Beratungsqualität ‚Made in Germany‘.“ – Christian Rödl

600 Millionen Euro
So viel Umsatz macht Rödl & Partner inzwischen, mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren.

Lokal denken, global handeln

Anruf bei Rahul Oza, der sich selbst einen schwäbischen Inder oder indischen Schwaben nennt. Geboren in Deutschland als Kind indischer Auswanderer (die bis heute hier leben), aufgewachsen bei Ulm und Stuttgart, hat er in Tübingen studiert und ging 2009 nach Indien, um die Rödl-Präsenz auszubauen. Inzwischen leitet er als Partner vier der sechs Büros im Land mit zusammen 170 Mitarbeitern.

In einem Video auf YouTube sagt Rahul Oza im Gespräch mit dem indischen Vertreter des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) den schönen Satz: „We are making India Mittelstandspartner.“ Oza und sein indisch-deutsches Team helfen ihren Klienten etwa beim Markteintritt, bei der Gründung oder dem Kauf eines Unternehmens. Vor allem Letzteres komme immer häufiger vor, „weil europäische Mandanten erkennen, dass ihnen die Mitarbeiter fehlen“, sagt Oza. „Also kaufen sie zum Beispiel kleine Produktionsstätten oder Softwarefirmen mit 20, 30 Programmierern.“

Ozas Team berät in Sachen M&A, Vertragsrecht, Steuerstrukturierung und Verrechnungspreise, in der Buchhaltung, beim Aufbau von Compliance-Strukturen oder eines ERP-Systems zur Unternehmenssteuerung. Für eine deutsche Firma, die in Indien Getriebe für Windkraftanlagen herstellt, koordinierte Rödl & Partner während der Corona-Reisebeschränkungen Termine und Verträge mit Grundstücksmaklern und Architekten für den Bau eines Werks, das jetzt schon wieder verkauft werden soll – wieder mithilfe der Berater.

„Wir sind da, wo der Mittelstand uns braucht“, sagt Oza, und regelmäßig bräuchten deutschsprachige Unternehmen auch Übersetzungshilfe. Nicht dass beide Seiten kein Englisch sprächen, „aber wenn der Deutsche E-Mails auf Englisch schreibt, kann das für den Inder manchmal sehr hart und bestimmend klingen, auch wenn es gar nicht so gemeint war. Da hilft dann sehr, dass wir beide Seiten bestens kennen.“

Mission Kulturbrücke

Anruf in der Wirtschaftsmetropole Almaty bei Michael Quiring, Rödl-Partner und Niederlassungsleiter in Kasachstan und Usbekistan. Quiring kam als Kind nach Deutschland, studierte Jura in Hannover und stieß 2013 durch Googeln auf eine Stellenanzeige von Rödl & Partner für Kasachstan, wo er seine Wurzeln hat.

Quirings Aufgabenspektrum ähnelt dem seines Kollegen Oza in Indien: Rechts- und Steuerberatung; Buchführung; Due Diligence von Übernahmekandidaten; Gesellschaftsgründungen; Arbeitsverträge entwerfen; Kandidaten für inländische Aufsichtsgremien identifizieren; Kontrollberichte für deutsche Muttergesellschaften erstellen. Er begleitet Investitionsvorhaben teils über viele Jahre, wie derzeit das eines deutschen Unternehmens, das in Kasachstan einen Solarpark errichten will. Er führt und begleitet mit seinem Team Verhandlungen mit Banken, Investoren, Behörden, Botschaften und Regierungsstellen. Sie intervenieren bei Visa-Problemen oder richten elektronische Signaturen ein. Und natürlich minimieren sie durch interne Kontrollmaßnahmen auch das Risiko der Unternehmen, in den Verdacht zu geraten, sie könnten die EU-Sanktionen gegen Russland unterlaufen.

So vielfältig seine Aufgaben, so multikulturell, multireligiös und vielsprachig sei sein Team, erzählt Michael Quiring. Und ähnlich wie sein Kollege in Indien müsse auch er kulturelle Brücken bauen, etwa wenn es um die Auslegung des Wortes Pünktlichkeit gehe. „Ein deutscher Mittelständler, der seinen zweitägigen Besuch auf die Stunde genau durchgeplant hat, sollte nachvollziehen können, warum sein zukünftiger Geschäftspartner möglicherweise zu spät zum Termin erscheint, ihn dann aber einlädt, zwei Tage länger zu bleiben, um gemeinsam zu essen, zu trinken und dabei auch das Geschäftliche zu besprechen. Dass wir als Berater da helfen, erklären, einwirken können, weil wir beide Seiten verstehen, das unterscheidet uns von anderen.“

Diesen Unterschied zu machen, lässt Rödl & Partner sich durchaus etwas kosten. Zahlen nennt das Unternehmen nicht, aber der Aufwand, sich eine globale Präsenz zu leisten, dürfte enorm sein. Eine Ahnung davon vermittelt ein Gespräch mit Anke Führlein, der Leiterin der weltweiten Personalentwicklung, die mit 30 Kolleginnen und Kollegen ein endlos weites Feld beackert vom Recruiting (derzeit 270 offene Stellen allein in Deutschland) über die Inhouse-Akademie bis hin zum Alumni-Netzwerk.

Allein 2023 gab es intern 6.500 Teilnehmer bei Online- und Offline-Schulungen zu Fachthemen, Sprachen, Persönlichkeitsentwicklung, Führung. Jährlich finden Treffen aller fünf Karrierestufen statt, zu denen teilweise Hunderte von Mitarbeitern aus aller Welt für mehrere Tage nach Nürnberg kommen. Es gibt ein eigenes Frauennetzwerk, Ladies Lunches, ein Sport- und Gesundheitsangebot inklusive Beratung durch eine angestellte Psychologin, eine Kantine, eine Kinderkrippe, Kinderferienprogramme zu Ostern und im Sommer, das jährliche Ski-Wochenende für rund 800 Rödl-Mitarbeiter, ein regelmäßiges Fußballturnier mit mehr als 100 Rödl-Kickern, zuletzt in Belgrad.

Das alles begleitet eine Kommunikationsabteilung mit einer Fülle an Berichten, Nachrichten, Interviews, Newslettern, virtuellen Rundgängen, Social-Media-Posts nach innen und außen. Allein die globale Homepage hat rund 16.000 Seiten, nicht mitgezählt sind die oft zwei- oder dreisprachigen Länderseiten.

Fragt man Christian Rödl in seinem Ludwig-Erhard-Zimmer, ob sich der ganze Aufwand denn lohne, ob alternative Strukturen nicht schlanker, schneller, wirtschaftlicher wären, hebt er wieder zu einem längeren Monolog an. Die globalen Strukturen seien durchaus komplex, aber im Grunde alternativlos. „Klar, wir könnten auch als Beteiligungsholding agieren mit ein paar wenigen übergeordneten Funktionen. Ansonsten wäre jedes Land für sich tätig, würde sich seine Mandanten, Mitarbeiter und Kooperationspartner selber suchen, seine Qualität selber sichern. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich die jetzige Struktur lohnt – für unsere Mandanten und für uns. Gerade sie macht uns schnell und erfolgreich. Wie wir heute aufgestellt sind, das ist inzwischen so stark in unserer Identität verwurzelt, dass uns sehr viel verloren ginge. Das wäre nicht mehr Rödl & Partner.“

Kompetente Kümmerer

Anruf bei Viktor Faller, Kaufmännischer Leiter der Firma Winterhalter in Meckenbeuren, nahe dem Bodensee. Das Unternehmen stellt Gewerbe-Spülmaschinen her und ist der idealtypische Rödl-Mandant: inhabergeführt in dritter Generation, 500 Mitarbeiter am Stammsitz und weitere 1.500 in rund 40 Niederlassungen weltweit, bald 500 Millionen Euro Umsatz, hochprofitabel, ein Hidden Champion, der Premium-Geräte in alle Welt liefert.

Bis vor wenigen Jahren ließ sich Winterhalter von einer der Big-Four-Gesellschaften beraten und prüfen – mit wachsender Unzufriedenheit, wie Viktor Faller berichtet. Deshalb ist jetzt Rödl & Partner im Boot. Finanzchef Faller schätzt daran, dass bis auf einige Spezialaufgaben alles aus einer Hand kommt: die Steuerberatung für die Firma wie für die Eigentümerfamilie, die Wirtschaftsprüfung, die Rechtsberatung bei Akquisitionen, Betriebsaufspaltungen oder Hilfe bei der Gründung einer neuen Tochtergesellschaft wie derzeit in Portugal. Entscheidend sei für ihn jedoch, dass er jetzt eine oberste Ansprechperson habe, eine Funktion, die Rödl & Partner den „Kümmerer“ nennt.

„Wenn ich zum Beispiel ein steuerliches Problem in Malaysia habe, rufe ich meinen Kümmerer in Stuttgart an, und dann meldet sich zeitnah dessen Kollege aus Malaysia.“ Die frühere Betreuung durch die große Unternehmensberatung sei in dieser Hinsicht eine Katastrophe gewesen, „weil die Länder im Prinzip unabhängig sind. Wenn die nicht wollen, geht nichts voran.“ Der Zugang zu einem zentralen Ansprechpartner, der die Zügel auch mal enger halten kann, erleichtere und beschleunige die Arbeit ungemein, sagt Faller.

Vorteilhaft sei natürlich auch die ähnliche Denke, „das Deutschsein“, wenn man so wolle. „Wenn man Rödl irgendwo auf der Welt anruft und weiß, dass die einerseits die lokale Kultur kennen, aber auch wissen, wie wir Deutschen so ticken, dann hilft das schon sehr.“

Er sei sehr zufrieden und wolle die Beziehung ausbauen, versichert Viktor Faller, weist dann allerdings auf eine „nervige Kleinigkeit“ hin, die womöglich auch typisch deutsch ist: Die Rechnungen von Rödl & Partner kämen zeitnah, was absolut okay sei. Allzu schnell würden manchmal aber auch Mahnungen verschickt. Wenn das die privaten Rechnungen seines Seniorchefs mit ihren vergleichsweise kleinen Beträgen betreffe, sei das nicht so nett bei einer Firma mit höchster Bonität, die 95 Prozent aller Rechnungen pünktlich begleiche. //


„Wenn man Rödl irgendwo auf der Welt anruft und weiß, dass die die lokale Kultur kennen, aber auch wissen, wie wir Deutschen ticken, dann hilft das schon sehr.“ – Viktor Faller